Sozialrecht – Bürgergeld, Höhe der bewilligten Miete

Rechtsanwalt Till Win
Königin-Elisabeth-Str. 58, 14059 Berlin
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Die gesetzlichen Regelungen zu den vom Jobcenter anzuerkennenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung finden sich in § 22 SGB II. 

Die Angemessenheitsgrenzwerte für die Bruttokaltmiete (Kaltmiete plus kalte Betriebskosten) und die Heizkosten werden getrennt voneinander bestimmt.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass die Berliner Jobcenter seit Jahren nicht die vom Sozialgericht Berlin festgelegten (i.d.R. etwas höheren) Angemessenheitsgrenzwerte für die Bruttokaltmiete berücksichtigen, sondern auf die (i.d.R. etwas niedrigeren) Angemessenheitsgrenze nach der AV-Wohnen abstellen (siehe unten).

Wer also glaubt, dass die Jobcenter in Berlin von sich aus die Bruttokaltmiete  bis zur korrekten Angemessenheitsgrenze berücksichtigen würden, der irrt leider. Die höheren gerichtlichen Angemessenheitsgrenzwerte lassen sich leider in der Regel nur über den Klageweg beim Sozialgericht Berlin durchsetzen.    

Häufig kommt es in folgenden Bereichen zu Problemen:

Bestimmung der Angemessenheitsgrenze für die Bruttokaltmiete in Berlin

Nach  der überwiegenden Auffassung der Rechtsprechung des Sozialgericht Berlin muss die Angemessenheitsgrenze  für die Bruttokaltmiete nach den Tabellenwerten zu § 12 WoGG berechnet werden,  so dass die tatsächliche Bruttokaltmiete bis zum Tabellenwert nach § 12 WoGG plus 10% Sicherheitszuschlag zu übernehmen sind (vgl. SG Berlin, Urteil vom 27. Mai 2016 – S 37 AS 1974/16 für 2014; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. April 2022 – L 10 AS 2286/18 –, juris, für 2015/2016; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. März 2022 – L 1 AS 456/21 WA –, juris, für 2016/2017; SG Berlin, Urteil vom 21. Januar 2022 – S 37 AS 9515/19 –, juris, für 2020).

Für Berlin gilt die Mietstufe IV. Zu den jeweiligen Werten ist dann noch der Zuschlag i.H.v.10 Prozent zu addieren, um die Angemessenheitsgrenze für die Bruttokaltmiete zu bestimmen.

Beispiel:

Ein Haushaltsmitglied: 511,00 Euro + 51,10 Euro = 562,10 Euro Angemessenheitsgrenze für die Bruttokaltmiete (ohne Heizkosten).

Die für den Zeitraum ab dem 01.01.2025 geltenden Tabellenwerte lauten wie folgt:

Wohngeldgesetz (WoGG)
Anlage 1 (zu § 12 Absatz 1)

(Fundstelle: BGBl. 2024 I Nr. 314, S. 1 – 2)

Anzahl
der zu berücksichtigenden
Haushaltsmitglieder
MietenstufeHöchstbetrag in Euro
1I  361
II  408
III  456
IV  511
V  562
VI  615
VII  677
2I  437
II  493
III  551
IV  619
V  680
VI  745
VII  820
3I  521
II  587
III  657
IV  737
V  809
VI  887
VII  975
4I  608
II  686
III  766
IV  858
V  946
VI1 035
VII1 139
5I  694
II  782
III  875
IV  982
V1 080
VI1 183
VII1 302
Mehrbetrag
für jedes weitere zu
berücksichtigende
Haushaltsmitglied
I   82
II   94
III  106
IV  119
V  129
VI  149
VII  163

Manche Richter gehen sogar davon aus, dass die Angemessenheitsgrenzen noch höher liegen. So hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 30. März 2023 – L 32 AS 1888/17 –, Rn. 100 – 106, juris, entschieden, dass auch die Tabellenwerte zu § 12 WoGG zuzüglich 10 Prozent Zuschlag nicht ausreichen:

„Wohnraum, der nach den Vorgaben des sozialen Wohnungsbaus und des WoGG angemessen ist, kann jedenfalls in angespannten Wohnungsmärkten nicht grundsicherungsrechtlich unangemessen sein (Senatsurteil vom 02.12 2021, L 32 AS 579/16, juris-RdNr. 89; Rudnik a.a.O. S. 139 f.). Dabei kommt die weitere Überlegung zum Tragen, dass die insofern vorhandenen Daten stets nur bzw. ganz überwiegend auf Bestandswohnungen im jeweiligen Regelungssystem zurückgreifen und im angespannten Wohnungsmarkt die Verteuerung durch das ungünstige Nachfrage-Angebot-Verhältnis nicht aktuell widerspiegeln (Senatsurteil vom 02.12 2021, L 32 AS 579/16, juris-RdNr. 89). Allein, dass die AV-Wohnen in Ziff. 3.2. Abs. 3 bestimmt, dass bei Wohnungen des Sozialen Wohnungsbaus eine Überschreitung der Richtwerte um bis zu 10% zulässig, zweigt zweierlei. Erstens wird der normative Zusammenhang tatsächlich auch gesehen. Zweitens wird klar, dass die Festsetzung der Richtwerte diesen normativen Zusammenhang gerade nicht berücksichtigen, weil man sonst die Ausnahmeregel nicht bräuchte. Schon vom eigenen Normgefüge her erweist sich die AV-Wohnen nicht als schlüssig. Dies gilt selbst für die aktuelle AV-Wohnen vom 13. Dezember 2022 noch immer, wo sich die gleiche Regelung in Ziff. 3.3 Abs. 3 findet.

Nach diesen Maßstäben erweist sich die Bruttokaltmiete der Klägerin im angespannten Wohnungsmarkt von Berlin im Zeitraum 2015/2016 noch als angemessen. Die vom Senat eingeholten Auskünfte der IBB vom 11. November 2022 und die ergänzende Stellungnahme vom 13. Januar 2023 haben ergeben, dass von den Sozialwohnungen in Berlin das Maximum der Nettomiete 8,84 Euro/m2 (WmA) bzw. 12,27 Euro/m2 (WoA), das Maximum der Bruttokaltmiete 10,85 Euro/m2 (WmA) bzw. 14,56 Euro/m2 (WoA) betrug, wobei die preisrechtlich zulässigen Mieten (Soll-Mieten) bei WmA 6,73 Euro/m2 und bei den WoA 13,21 Euro/m2 jeweils im Durchschnitt und nettokalt betrugen.

Übernahme der tatsächliche Bruttokaltmiete für Dauer der Karenzzeit

Mit der Bürgergeldreform wurde zudem eine einjährige Karenzzeit eingeführt, in der die tatsächliche Miete – auch wenn sie unangemessen hoch ist – in voller Höhe zu übernehmen ist, §§ 22 Abs. 3 und § 65 Abs. 3 und Abs. 6 SGB II. Voraussetzung ist, dass die Miete zuvor nicht bereits vom Jobcenter gedeckelt worden war.

Übernahme der tatsächliche Bruttokaltmiete bis zur Durchführung eines Kostensenkungsverfahrens

Grundsätzlich ist das Jobcenter auch nach Ablauf der Karenzzeit verpflichtet weiterhin die tatsächliche Bruttokaltmiete solange in tatsächlicher Höhe als Bedarf anzuerkennen, bis ein ordnungsgemäßes Kostensenkungsverfahren vom Jobcenter durchgeführt worden ist.

Übernahme der tatsächlichen Miete wegen Unzumutbarkeit der Kostensenkung aus gesundheitlichen Gründen

Auch nach Durchführung eines Kostensenkungsverfahrens, kann das Jobcenter verpflichtet sein eine unangemessen teure Miete weiterhin vollumfänglich zu übernehmen. Voraussetzung ist dafür i.d.R. dass es für den Leistungsempfänger nach ordnungsgemäßer Kostensenkungsaufforderung nicht möglich oder unzumutbar war, die Mietkosten zu senken. Häufigster Fall ist die Unzumutbarkeit eines Umzugs aus gesundheitlichen Gründen, insbesondere psychischen Gründen. In diesen Fällen ist in der Regel zumindest ein psychologisches Attest notwendig, aus dem sich ergibt, dass ein Umzug aus ärztlicher Sicht wegen drohender Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustandes nicht zumutbar ist.

Auch eine Stellungnahme der Sozialen Wohnhilfe (angesiedelt beim jeweiligen Bezirksamt), aus der Sicht ergibt, dass der Erhalt der derzeitigen Wohnung befürwortet wird, kann helfen das Jobcenter zur Übernahme der über der Angemessenheitsgrenze liegenden tatsächlichen Mietkosten zu bewegen.

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Anbei noch ein paar interessante externe Links zu dem Thema:

https://www.bz-berlin.de/berlin/amt-zahlt-hartz-iv-empfaengern-groessere-und-teurere-wohnungen

https://www.deutschlandfunk.de/hartz-iv-empfaenger-in-berlin-programmiert-der-weg-in-die.862.de.html?dram:article_id=392669

https://www.berliner-zeitung.de/berlin/gestiegene-mietzuschuesse-sozialhilfeempfaenger-duerfen-teurer-und-groesser-wohnen-31151080

https://www.suedkurier.de/ueberregional/wirtschaft/geld-finanzen/buergergeld-jobcenter-miete-tabelle-staedte-berlin-konstanz-muenchen-stuttgart-23-8-25;art1373668,11646587

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