Sperrzeit bei verhaltensbedingter fristloser Kündigung durch den Arbeitgeber

Rechtsanwalt Till Win
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Ärgernis: fristlose Kündigung und Sperrzeit meist im Doppelpack.

Wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis durch eine verhaltensbedingte fristlose Kündigung beendet, so wird die Agentur für Arbeit gegen den Arbeitnehmer i.d.R. eine zwölf wöchige Sperrzeit verhängen, weil sie erfahrungsgemäß zunächst leider der Schilderung des Arbeitgebers folgt.

Kündigungsschutzklage und Widerspruch gegen Sperrzeit

Am besten ist es Widerspruch gegen den Sperrzeitbescheid einzulegen und zusätzlich die fristlose Kündigung vor dem Arbeitsgericht mit einer Kündigungsschutzklage anzugreifen. Warum? Häufig ist der Arbeitgeber im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses bereit die fristlose Kündigung durch Vergleich in eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung umzuwandeln.

In der Praxis wird die Agentur für Arbeit nach Vorlage eines solchen arbeitsgerichtlichen Vergleiches die Sperrzeit vollständig aufheben, ohne weiter zu prüfen, ob die ursprüngliche fristlose Kündigung wirksam war. Fazit: durch die Kündigungsschutzklage kann man sich häufig ein langwieriges Klageverfahren gegen die Sperrzeit ersparen.

Gegebenenfalls kann man bei der Agentur für Arbeit anregen, das Widerspruchsverfahren bis zur Beendigung des Kündigungsschutzklageverfahrens ruhend zu stellen.

Nur Widerspruch gegen Sperrzeit

Auch ohne Kündigungsschutzklage kann die Sperrzeit natürlich mit einem Widerspruch und Klage angegriffen werden. Allerdings wird die Agentur für Arbeit in diesem Fall die Angelegenheit genauer rechtlich prüfen und häufig den Ausführungen des Arbeitgebers Glauben schenken.

Rechtlicher Prüfungsmaßstab

Maßgeblich für die Prüfung ist, ob der Arbeitnehmer sich tatsächlich vertragswidrig verhalten hat und ob das Verhalten für die Arbeitslosigkeit bzw. die Kündigung ursächlich war.

Es reicht aber nicht ein bloßer tatsächlicher Zusammenhang, vielmehr ist maßgeblich, ob die Kündigung des Arbeitgebers zu Recht ausgesprochen wurde, also arbeitsrechtlich wirksam ist.

Diese Frage haben die Bundesagentur und die Sozialgerichte eigenständig zu prüfen. Dabei hat sich die Prüfung nur am materiellen Recht, nicht aber an verfahrensrechtlichen Besonderheiten des Arbeitsrechts (z. B. Kündigungsfrist, Schriftform, Betriebsratsanhörung etc.) auszurichten (LSG Baden-Württemberg, aaO, juris – Rn. 29, SG Mannheim, Urteil vom 12. Dezember 2011 – S 10 AL 3314/11 –, juris). Eine Bindung an etwaige arbeitsgerichtliche Entscheidungen oder an vor den Arbeitsgerichten abgeschlossene Vergleiche besteht nicht (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24. Januar 2012 – L 11/12 AL 139/08).

Beweislast

Die objektive Beweislast für das Fehlverhalten des Arbeitnehmers liegt bei der Behörde (vgl. z.B. Sozialgericht Aachen mit Urteil vom 26. Januar 2007 – S 8 AL 11/06 –, Rn. 17, juris, für den Fall einer sogenannten Verdachtskündigung):

„Letztlich bleibt lediglich der Verdacht arbeitsvertragswidrigen Verhaltens. Umstritten ist, ob eine Verdachtskündigung die Feststellung einer Sperrzeit rechtfertigen kann. Eine Verdachtskündigung ist arbeitsrechtlich zulässig, wenn eine strafbare Handlung zwar nicht nachgewiesen ist, der begründete Verdacht, der Arbeitnehmer könnte sich in kündigungsrechtlich relevanter Weise strafbar gemacht haben, jedoch das für ein Arbeitsverhältnis notwendige Vertrauensverhältnis zerstört hat (BAG, Urteil vom 04.11.1957 – 2 AZR 57/56 = AP Nr. 39 zu § 1 KSchG; näher zur Verdachtskündigung Müller-Glöge, in: Erfurter Kommentar, § 626 BGB Rdnr. 208 f.).

Teilweise wird vertreten, bei einem dringenden, durch objektiv nachweisbare Tatsachen begründeten Verdacht einer Straftat von erheblichem Gewicht könne eine rechtmäßige Verdachtskündigung die Feststellung einer Sperrzeit nach sich ziehen (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.08.2002 – L 1 AL 127/01; Valgolio, in: Hauck/Noftz, SGB III, § 144 Rdnr. 57). Diese Auffassung lässt sich mit der Beweislastverteilung bei der Sperrzeitfeststellung nicht vereinbaren. Die Arbeitsverwaltung trägt das Risiko, wenn sich nicht aufklären lässt, ob sich der Versicherte tatsächlich arbeitsvertragswidrig verhalten hat oder nicht.

Die Gründe, die für die Zulässigkeit einer Verdachtskündigung sprechen, lassen sich nicht auf die Sperrzeitfeststellung übertragen. Zwischen dem Versicherten und der Arbeitsverwaltung spielt ein besonderes Vertrauensverhältnis, das durch einen nicht auszuräumenden Verdacht einer Straftat unzumutbar belastet würde und eine weitere Zusammenarbeit ausschließt, keine Rolle (Kühl, Die Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe, S. 196; allgemein zu Beweislastverteilung im Sperrzeitrecht, ders. S. 193 ff.).“