Selbständige Leistungsbezieher

Rechtsanwalt Till Win
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Bei selbständigen Leistungsbeziehern kommt es besonders häufig zu Problemen beim Leistungsbezug.

Dies liegt bei der Vielzahl der Fälle daran, dass das Jobcenter von der vorläufigen EKS der Selbständigen abweicht und einzelne Betriebsausgaben nicht anerkennt. Von Bedeutung ist insoweit, dass nicht alle steuerrechtlich anerkannten Betriebsausgaben auch vom Jobcenter anerkannt werden müssen, sondern dass im Sozialrecht nur diejenigen Betriebsausgaben anerkannt werden, die tatsächlich notwendig waren. Nicht selten liegt jedoch der Grund für die Nichtanerkennung von Betriebsausgaben im fehlenden wirtschaftlichen Verständnis und der fehlenden betrieblichen Sichtweise der zuständigen Jobcentermitarbeiter.

Die Ermittlung des Einkommens von Selbständigen ist in der ALG II-Verordnung geregelt.

Interessante Urteile:

-§ 3 Abs. 3 Alg II-VO gibt dem Beklagten zwar die Befugnis, tatsächlich entstandene Betriebsausgaben bei der Ermittlung des anrechenbaren Einkommens aus selbständiger Tätigkeit unberücksichtigt zu lassen, Maßstab für eine solche Vorgehensweise ist jedoch nach Wortlaut und Zweck eine Missbrauchsabwehr: Es soll verhindert werden, dass die Hilfebedürftigkeit über ein offensichtlich unangemessenes Ausgabeverhalten aufrechterhalten wird (SG Berlin, Urteil vom 28. November 2014 – S 37 AS 11431/14 –, Rn. 14).

-Die Schätzung nach § 3 Abs. 6 ALG II-V ist kein Ermessensvorgang, sondern gerichtlich voll überprüfbar. Dabei muss die durchgeführte Schätzung schlüssig, wirtschaftlich möglich sein und der tatsächlichen Situation möglichst nahe kommen. (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 08.10.2010 – L 5 AS 200/10 B ER; Geiger, ALG II, 2012 S. 383; ders., in: LPK-SGB II, 5. Auflage 2013, § 11, Rn. 60.). Daraus folgt, dass eine Schätzgrundlage aus den wesentlichen zur Verfügung stehen Erkenntnisquellen gewonnen werden muss. Auf dieser Basis muss eine Einkommensermittlung möglichst in der gleichen Weise geschehen wie eine Einkommensberechnung aufgrund konkreter, prüffähiger Daten für den Bewilligungszeitraum (SG Aachen, Urteil vom 18. Februar 2014 – S 14 AS 921/13 –, Rn. 17).

-Liegt aber eine teilweise private (Wohnraum-)Nutzung von Geschäftsräumen vor, können die anteiligen Kosten, die auf die private Nutzung entfallen, übernommen werden. Dies gilt auch wenn der Geschäftsraum nicht über ein Bad oder eine Küche verfügt (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 21. Januar 2015 – L 1 AS 5292/14 ER-B –, Rn. 27, juris).

-Ein horizontaler Verlustausgleich innerhalb der selben Einkunftsart gem. § 5 ALG II VO ist zulässig (SG Dresden, Urteil vom 14.02.2014 – S 21 AS 6348/10)

-Die Fahrkosten des Klägers sind – anders als vom SG mit seiner Bezugnahme auf § 3 Abs 7 Alg II-V 2009 offenbar angenommen – allenfalls zum Teil als „Betriebsausgaben“ von seinen Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit absetzbar. Bei den hier in Betracht kommenden Fahrten des Klägers zu den einzelnen Trainingsstätten greift die og Regelung des § 3 Abs 2 S 1 Alg II-V 2008/2009, nach der Betriebsausgaben nur solche Ausgaben sein können, die nicht zugleich nach § 11 Abs 2 SGB II aF als „mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben“ zu berücksichtigen sind. Zu den mit der Erzielung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit verbundenen notwendigen Ausgaben nach § 11 Abs 2 S 1 Nr 5 SGB II aF gehören jedoch die regelmäßigen Fahrten von der Wohnung zur „Betriebsstätte“ und zurück. Diese Fahrten sind also, obwohl es sich auch um Betriebsausgaben handelt, dem „privaten Bereich“ zuzuordnen und gelten regelmäßig als von dem pauschalen Absetzbetrag nach § 11 Abs 2 S 2 SGB II aF (mit)erfasst (BSG, Urteil vom 05. Juni 2014 – B 4 AS 31/13 R –, SozR 4-4225 § 3 Nr 5, Rn. 23).